Tödliche Anspannung auf der Balkanroute

Veröffentlicht am 26. September 2022 um 20:19

Auf der Balkanroute steigt die Zahl der Migranten, die versuchen, in die EU zu gelangen. Schlepperorganisationen agieren zunehmend aggressiv - und das mündet mitunter in tödlichen Unfällen.Ein Junge mit dichtem braunen Haar, hinten abrasiert, steht neben dem Maschendrahtzaun eines großen bulgarischen Flüchtlingslagers. Mahmoud ist 17 und vor einigen Monaten allein in Bulgarien angekommen. Seine Familie ist nun auch da, sie wollen einen Asylantrag stellen und dann weiter nach Deutschland.

Der Weg nach Bulgarien sei gefährlich gewesen, erzählt Mahmoud und deutet auf den Zaun hinter sich, der ihn an den türkisch-bulgarischen Grenzzaun erinnert. Über den sei er mit einer Leiter geklettert und dann gesprungen - "wie aus dem 4. Stock. Dann bin ich weitergelaufen."

An der türkisch-bulgarischen Grenze braue sich was zusammen, sagt er, jetzt sammelten sich dort viele Menschen. Einige würden vor dem Krieg in Syrien fliehen, andere vor dem harten Leben in der Türkei, lautet seine Erklärung.

Bulgarien setzt auf harten Grenzschutz

Bulgarien setzt auf harten Grenzschutz und Abschreckung, die Regierung hat die Zahl der Grenzschützer erhöht und plant bereits eine weitere Aufstockung. Die Zahl der versuchten Grenzübertritte ist laut bulgarischem Innenministerium seit dem Vorjahr um das Doppelte auf 103.000 gestiegen.

Der Druck auf die Grenzen steigt - und damit auch das Stresslevel aller Beteiligten. Alle paar Tage kommt es auf der Balkanroute zu schweren Unfällen. Im Zentrum von Burgas, das nahe der türkischen Grenze liegt, lieferte sich ein Bus mit 47 Migranten eine am Ende tödliche Verfolgungsjagd mit der Polizei. Die beiden Fahrzeuge prallten aufeinander, vom Polizeiauto war nach dem Zusammenstoß kaum mehr etwas übrig, beide Polizisten starben. Der Fahrer, ein 18-jähriger Syrer, wurde festgenommen.

Versuchte Grenzübertritte auch in Serbien

Knapp 600 Kilometer weiter nördlich im serbischen Subotica herrscht reges Treiben, dazu liegt eine nervöse Spannung in der Luft. Alles hier wartet auf den Grenzübertritt nach Ungarn, der ungarische Hochsicherheits-Grenzzaun ist nur wenige Kilometer entfernt.

Auf der Straße sind Flüchtlinge in kleinen Gruppen unterwegs, steigen aus Taxis, campieren auf Wiesen oder in verlassenen Gebäuden. Das staatliche Aufnahmesystem ist längst restlos überfordert.

Teure und riskante Flucht

In einer der Ruinen hält sich ein junger Mann aus dem Jemen auf. Er sei die Strecke über Ägypten nach Griechenland zu Fuß gelaufen, berichtet er. Dann habe er für 3000 Euro einen Schlepper bezahlt, um nach Serbien zu kommen. Allein komme man nicht über die Grenze, erzählt er. Man sitze in Jeeps, vollgestopft mit Menschen, bei ihm seien es insgesamt 15 gewesen. Natürlich komme es da zu Unfällen.

Genau so ein Unfall ereignete sich Mitte September im Burgenland an der österreichisch-ungarischen Grenze. Das Militär wollte ein Fahrzeug anhalten, um es zu kontrollieren. Der Fahrer gab Vollgas, kam von der Straße ab und prallte auf einen Baum. In dem Pkw, zugelassen für sieben Personen, saßen neben dem rumänischen Fahrer 16 Mitfahrer aus Indien, Pakistan und Afghanistan.

Helmut Marban von der burgenländischen Polizei sieht einen neuen, besorgniserregenden Trend: Derzeit seien viele junge Männer unterwegs, die von den Organisationen angeworben würden, "die sehr aggressiv und rücksichtslos auf ihrer Route unterwegs sind und auch keine Rücksicht auf das Leben der Geschleppten nehmen - und dabei riskieren die jungen Männer oft ihr eigenes Leben".

Abschreckung und Stress

In diesem Jahr hat die burgenländische Polizei schon 205 Schlepper festgenommen, 36 Personen mehr als im vergangenen Jahr. Auch die Zahl der Asylanträge ist gestiegen.

Die Gründe für den Anstieg der Zahlen sieht die österreichische Migrationsexpertin Judith Kohlenberger zum einen in der geopolitischen Situation, zum anderen seien Sekundäreffekte durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine spürbar.

Die gestiegenen Flüchtlingszahlen hinterließen aber auch bei den Schleppern Spuren: Sie nähmen wahr, wie sich die Migrationsrethorik ändert. Abschreckung an den Grenzen, so Kohlenberger, führe auch zu Stress an den Grenzen.

 

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